📖 Buch Rezension & Kritik Offene See -

Rezension vom 21.05.2024

Herzensbuch - Über das Meer, das Leben und die Kraft der Poesie

Offene See Benjamin Myers

Benjamin Myers Offene See handelt vom 16-Jährigen Robert, der sich aus einem Bergarbeiterdorf im Norden Englands auf Wanderschaft Richtung Meer, zur Offenen See begibt. Es ist das Jahr 1946, kurz nach Kriegsende, Robert hat die Schule abgeschlossen und bevor er in die Fußstapfen seines Vaters, Großvaters und der Männer davor tritt und im Bergbau anfängt, verbringt er einen Sommer in der Ferne. Eine Art Work & Travel in der Nachkriegszeit - er verdient sein Essen auf Bauernhöfen und nächtigt auf den dortigen Wiesen.

Kurz bevor Robert das Meer erreicht, trifft er auf ein leicht heruntergekommenes Cottage und lernt die ältere Frau Dulcie und ihren Schäferhund Butler kennen. Aus einem Nachmittagstee wird ein ganzer Sommer, und die Begegnung mit der unkonventionellen Dulcie wird für Robert zum lebensverändernden Ereignis. Dulcie öffnet dem Jungen Türen zu unbekannten Welten, führt ihn ein in Literatur, Lyrik, Essen und Trinken und in ein Leben fernab von gängigen Konventionen. Aber trotz ausgelassener Momente mit Hummer und Weißwein, schwingt etwas Melancholisches mit, etwas Ungesagtes, das Dulcie als “Zerwürfnis” mit dem Meer benennt. Und so viel sei verraten: Es hat mit einem Manuskript unveröffentlichter Gedichte zu tun (Titel “Offene See”), das Robert in der verlassenen Hütte auf Dulcies Grundstück findet.

Offene See ist 2020 auf Deutsch im Dumont Verlag erschienen, übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Und im gleichen Jahr wurde der Roman zum Lieblingsbuch des Unabhängigen Buchhandels gewählt.

Auch wenn ich hier late to the party bin, für dieses Buch ist es nie zu spät und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich es gelesen habe. Denn für mich ist Offene See zum Herzensbuch geworden - auch wegen der poetischen Sprache. Ich habe beim Lesen gelacht, geweint und wieder gelacht. Manchmal war ich emotional so ergriffen, dass ich es zur Seite legen musste.

Was das Buch so besonders macht, ist die Figur der Dulcie, die wunderbar gezeichnet ist. Sie ist klug, schlagfertig, witzig und versteht es, das Leben trotz ihrer Wunden zu feiern. Ihre Weisheiten kommen nicht plump daher. Ganz im Gegenteil ist sie die Personifizierung des weisen Satzes: “Du musst dein Leben haargenau so leben, wie du es willst, nicht für irgendjemand anderen.”

Wegen dieser Botschaft würde ich das Buch am liebsten allen jungen Menschen schenken (den Anfang habe ich bei meiner Nichte gemacht ;-).

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Rezension - besprochenes Buch

Titel: Offene See
Belletristik
⭐⭐⭐⭐⭐
270 Seiten
Verlag: Dumont Buchverlag
Erscheinungsjahr:
ISBN: 978-3-8321-8119-2

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